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Beim Betreten des sic! Elephanthouse fällt der Blick auf einen lebensgrossen weissen Schneemann am Ende des Raumes. Nein, es handelt sich nicht um Arbeiten von Peter Regli (*1959 in Andermatt) aber es ist nicht zu verleugnen, dass Florian Maritz (*1996) die Arbeiten des Urner Künstlers kennt. Florian Maritz und Peter Regli verbindet nicht nur der Heimatort Uri, sondern auch das Motiv des Schneemanns. Maritz fotografiert, dokumentiert und archiviert seit einigen Jahren aus Schnee geformte Schneefiguren, die er aus den Gärten seiner Umgebung auf seinem Handy festhält. Bestimmt hat jede*r von uns schon mal – meist drei verschieden grosse – aufeinandergestapelte Schneebälle zu einem Schneemann geformt. Verziert mit Kieselsteinen, Zweigen, Karotte und Topf, damit die Figur ein Gesicht, Arme und eine Kopfbedeckung bekommt. Aber auch andere triviale Motive wie Gartenzwerge oder Gummibärlis interessieren Maritz aufgrund ihres global bekannten Charakters.

«Glyptothek Maritz» heisst der Ausstellungstitel – Glyptothek, (altgr. «glyphein» = meisseln und «theke» = Ablage) ein modernes Kunstwort, das eine Sammlung von Skulpturen und Plastiken beschreibt. Unter leuchtenden Scheinwerfern erstrahlen diverse Objekte, teilweise auf eine hochwertig anmutende Art und Weise auf einem massiven schwarzen Sockel präsentiert, zum Teil sorgfältig auf dem Boden platziert. Eine Glyptothek, eine Sammlung gehauenen Steinskulpturen, wie wir sie in München am Königsplatz oder von der Akademie der bildenden Künste in Wien kennen. Wenn wir uns den Skulpturen nähern, wird allerdings schnell klar, dass Maritz nicht nur mit Meissel und Grabstichel arbeitet, wie es die antike Bildhauerkunst tat, sondern sich vielmehr den neuesten Techniken bediente: Ytong, 3D Druck, PLA. So wurden die Schneemänner anhand einer App in digitale 3D-Kopien übersetzt und mit einem 3D-Drucker wieder zu physischen Körpern geformt. «Big Lips, big biceps» wurde zwar mit traditioneller Handarbeit hergestellt, besteht jedoch auch aus modernen Materialien wie Porenbeton und Lack.


Mit viel Humor und Witz öffnet Maritz ein Spannungsraum zwischen Hoch- und Subkultur: Indem er sich dem Begriff der Glyptothek bedient und überspitzt ein museales Ausstellungsdisplay einer Sammlungspräsentation imitiert, hinterfragt er Kernthemen des Ausstellens. Diese Auseinandersetzung platziert er im Kontext des Elephanthouse, einem selbstorganisierten Offspace, einem Raum, der institutionelle Ästhetiken nur nachzuspielen vermag. Das Prinzip erinnert an Maritz’ künstlerisches Schaffen mit digitalen Spielereien: Oftmals platziert er mit Photoshop seine naiven, punkigen Malereien in prunkvolle Museen oder ersetzt Denkmäler von verstorbenen Kaisern mit seinen Skulpturen.

In diesem Spiel von Kommerzialisierung und Institutionalisierung greift Maritz ernsthafte aktuelle gesellschaftliche Themen auf: Fragen zum Klimawandel in den Polarregionen, wo steigende Temperaturen zur rapiden Schmelzung der Eisdecke führen. Oder aber der Trend, über die sozialen Medien Lifestyle und Mode zu präsentieren. Der Drang die eigene Sammlung neuster Prada-Taschen zu präsentieren oder sich Schönheitsoperationen zu unterziehen.

Die Skulpturen und Plastiken in Maritz‘ Glyptothek spielen damit, den Zeitgeist auf verschiedenen Ebenen einzufangen, festzuhalten und zu archivieren: Die Werke werden zu potenziellen Relikten und die Ausstellung zur hypothetischen Sammlung aus der Zukunft, die kulturelle Artefakte unserer Gegenwart präsentiert. Maritz kreiert im sic! Elephanthouse einen Raum voller Spekulation und Fiktion. Er schafft eine eigene Welt, in der die Zeit nicht klar definiert ist, eine gedachte, inszenierte Institution in einem Offspace. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen, hingegen das Wintersymbol des Schneemanns bleibt bestehen. Ergänzt wird die Ausstellung von einem Museumsshop im Nebenraum. Dort können die Relikte aus einer zurückliegenden Zeit für die Zukunft erworben werden.